Leseprobe Mit 50 ccm nach Kairo



Prolog: Eine „blöde“ Idee

Donnerstag! An Donnerstagen ging ich, wenn ich es mir leisten konnte, in meine alte Stammkneipe. Als meine Tochter noch bei mir gewohnt hatte, war sie immer gerne mitgekommen.
Ein irischer Pub in Mönchengladbach-Rheydt! Donnerstags gab es dort Karaoke. Ich kannte dort fast jeden. Viele erkundigten sich regelmäßig nach dem Befinden meiner Tochter und danach, ob es Neuigkeiten aus „Pharaonistan“ gäbe. Jedes Mal trug man mir auf, Grüße zu senden. Diesmal konnte ich strahlend, aber auch etwas bedrückt, berichten, dass Mad Jack, so ist seltsamerweise mein Spitzname, Opa werden würde. Das brachte natürlich Stimmung! Alle Bekannten sagten im Prinzip das Gleiche, dass sie sich freuten, sich aber auch Sorgen machten, weil ja niemand genau wusste, wie die Ärzte da unten so waren. Ich sollte Sandra viele Grüße und die besten Wünsche von allen per Mail ausrichten.
„Beabsichtigst du denn, zu ihr zu fliegen?“ Das fragte mich jemand, der mit mir Tisch saß. Ich weiß heute nicht mehr, wer es war.
Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, wie ich das hinbekommen könnte. Der Flug kostet um die sechshundert Euro.“ Am Tisch machte sich betretenes Schweigen breit. Alle nippten nachdenklich an ihrem Bier. Wir alle verfügten nicht über Reichtümer und vermieden es normalerweise, über Geld zu diskutierten. Von vielen wusste ich, dass der Donnerstag für sie fast schon wie ein Sonntag war, also ein Tag, an dem sie sich mal etwas gönnten – Nein, liebe Politfreunde, wir waren keineswegs die typischen Harz-IV-Empfänger. Wir wussten mit dem bisschen Geld umzugehen.
„Da müsstest du sparen wie ein Weltmeister“, meldete sich einer zu Wort.
„So viel geht nicht. Da bist du komplett überfordert“, sagte ein anderer.
Schließlich lehnte sich einer auf seinem Stuhl zurück. „Wie bist du denn heute Abend hergekommen?“, fragte er.
„Mit meinem Summie natürlich“, antwortete ich. So nannte ich mein 50-ccm-Quad. „Womit denn sonst? Schließlich habe ich ja nichts anderes mehr, nachdem mein Motorrad in Flammen aufgegangen ist. Die Versicherung weigert sich, zu zahlen und ich schaffe es nicht, mir etwas zusammenzusparen, um eventuell ein neues Gebrauchtes zu kaufen.“ Nicht einmal einen Nebenjob finde ich, fügte ich in Gedanken hinzu. Es ist zum Verzweifeln.
Wieder Schweigen. Dann brummelte einer in sein Bierglas: „Fahr doch damit. Brauchst ja nicht viel Sprit. Und schlafen kannst du in der Pampa. Bist doch gut ausgebildet worden in dem Trachtenverein in Flecktarn.“
Die versammelte Tischmannschaft lachte. Bis auf einen – und der war ich!
Irgendwann verabschiedeten wir uns, gingen oder fuhren nach Hause. Den ganzen Heimweg grübelte ich, ob so ein kleines Quad das überhaupt schaffen würde, ob ich die notwendige Ausrüstung unterbringen könnte und was sie alles beinhalten müsste. In meinem Kopf ratterte es. Die fünfzehn Minuten bis nach Hause verflogen wie nichts.
Dort angekommen lag ich noch lange wach im Bett und dachte nach. Ich besaß noch den ganzen Survival-Kram vom Militär und aus meiner Zeit als Pfadfinderleiter, wo ich Jugendlichen alles beigebracht hatte, was sie in der Wildnis wissen mussten. Natürlich fehlte noch eine Menge für ein solches Unterfangen, da ein großer Teil der Strecke durch die Wüste führen würde und nicht durch einen mitteleuropäischen Wald, aber – so ganz blöd war die Idee im Grunde ja gar nicht. Was brauchte ich denn noch? Natürlich nur rein theoretisch …
Schließlich nahm ich mir einen Atlas zur Hand, um mal kurz reinzuschauen. Und siehe da! So unmöglich, wie es sich anhörte, sah die Strecke auf der Landkarte gar nicht. Also, rein theoretisch war es möglich.
Am nächsten Tag gab es einen heftigen Streit mit meiner Biggi. Rückblickend kann ich mich nicht genau erinnern, worum es dabei ging. Es hatte etwas mit meiner Ex-Freundin zu tun, die mich immer noch per SMS bombardierte.
„Ich bin so sauer auf dich, ich kann dir nicht mehr glauben“, schrie Biggi.
Wie gesagt, Einzelheiten weiß ich heute nicht mehr. Wegen irgendetwas war Biggi felsenfest davon überzeugt, dass ich ein Lügner wäre, nichts auf die Beine stellen würde und keinen Biss hätte.
Und deshalb, weil sie das dachte, brannte sich mir ein Gedanke ins Hirn. Wenn ich ihr jetzt beweise, dass ich tue, was ich sage und zwar auch dann, wenn es immense Anstrengungen mit sich bringt, sogar unmöglich erscheint, wird sie mir vielleicht wieder glauben und vertrauen. Damit stand mein Entschluss fest. Ich würde mit meinem 50-ccm-Quad von Mönchengladbach aus nach Kairo aufbrechen. Ich mach das, redete ich mir gut zu. Komme, was da wolle. Wir schrieben den 21. Juli 2010.

Wir schrieben den 21. Juli 2010.

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